Der sog. Minnesängerschrank im Sängersaal des Palas auf der Wartburg Hugo von Ritgen (Entwurf), Friedrich Hrdina (Schnitzerei), Rudolf Hofmann (Bemalung), 1858, 320 x 204 x 84 cm, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KM0040

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Abb. 1 Der sog. Minnesängerschrank im Sängersaal des Palas der Wartburg, 1858
Abb. 1 Der sog. Minnesängerschrank im Sängersaal des Palas der Wartburg, 1858

Renate Zidek, Mitarbeiterin im Museumsladen und Eintrittskartenverkauf, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats September 2024 vor: „Zu den schönsten Räumen im Palas gehört der Sängersaal. Er erinnert mit dem Fresko von Moritz von Schwind und der Sängerlaube mit ihren Malereien an den sagenhaften Sängerkrieg. Das Gleiche tut der eindrucksvolle Schrank an der Südwand. Er wirkt wie für den Sängersaal gemacht.“

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  • Abb. 1 Der sog. Minnesängerschrank im Sängersaal des Palas der Wartburg, 1858
    Abb. 1 Der sog. Minnesängerschrank im Sängersaal des Palas der Wartburg, 1858
  • Abb. 2 Blick in den Sängersaal nach Süden
    Abb. 2 Blick in den Sängersaal nach Süden
  • Abb. 3. Hugo von Ritgen, Entwurf für einen Bücherschrank, den sog. Minnesängerschrank, (1857/1858)
    Abb. 3. Hugo von Ritgen, Entwurf für einen Bücherschrank, den sog. Minnesängerschrank, (1857/1858)
  • Abb. 4 Musizierender Engel an der rechten Ecke des sog. Minnesängerschranks
    Abb. 4 Musizierender Engel an der rechten Ecke des sog. Minnesängerschranks
  • Abb. 5 Musizierender Engel an der linken Ecke des sog. Minnesängerschranks
    Abb. 5 Musizierender Engel an der linken Ecke des sog. Minnesängerschranks
  • Abb. 6 Schubladenverzierung am sog. Minnesängerschrank
    Abb. 6 Schubladenverzierung am sog. Minnesängerschrank
  • Abb. 7 Die von Rudolf Hofmann geschaffenen Malereien am sog. Minnesängerschrank
    Abb. 7 Die von Rudolf Hofmann geschaffenen Malereien am sog. Minnesängerschrank
  • Abb. 8 Salon des Großherzogs mit dem Minnesängerschrank im Obergeschoss der Neuen Kemenate der Wartburg, Königlich Preußische Meßbildanstalt, 1897/1898
    Abb. 8 Salon des Großherzogs mit dem Minnesängerschrank im Obergeschoss der Neuen Kemenate der Wartburg, Königlich Preußische Meßbildanstalt, 1897/1898

Es war schon interessant zu erfahren, dass der „Minnesängerschrank“ ursprünglich gar nicht für den Sängersaal geschaffen wurde. Im Lieblingsobjekt des Monats vom April 2024 war nämlich zu lesen, dass er zu den kostbaren Geschenken gehörte, die Großherzogin Sophie ihrem Mann Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach gemacht hat und zwar für seine Wohnung auf der Burg.

Die großherzogliche Wohnung befand sich in der Neuen Kemenate, die ab 1853 dafür errichtet worden ist. Großherzogin Sophie hatte ihre Räume im Erdgeschoss, Großherzog Carl Alexander residierte in der oberen Etage, wo sich heute die Museumsräume befinden und auch sein ehemaliges Schlafzimmer zu besichtigen ist. Das Gebäude hat der Wartburgarchitekt Hugo von Ritgen entworfen, der dem Bau – von der Architektur über die Ausmalung bis hin zur Möblierung – romanische Formen gegeben hat. Ritgen hat verschiedene Sessel, Stühle, Sofas und Tische entworfen. Auch die Betten passten in diese Gestaltung. Das aufwändigste und bestimmt auch kostenintensivste Möbelstück aber war der sogenannte Minnesängerschrank. Hugo von Ritgen hat auch hierfür den Entwurf geschaffen, der sogar erhalten geblieben ist. Die aufwändigen Schnitzereien stammen von Friedrich Hrdina, der auch alle Möbel für die Neue Kemenate und die phantasievollen Seitenlehnen der Bänke im Festsaal geschnitzt hat. Die Malereien führte der Darmstädter Maler Rudolf Hofmann aus, nachdem er 1858 die Ausmalung der Sängerlaube im Sängersaal vollendet hatte.

Neben den unglaublich detailreichen Schnitzereien, den Verzierungen der Schubladen, die als romanische Türklopfer mit Löwenköpfen gestaltetet sind und den musizierenden Engeln an den oberen Ecken ziehen vor allem die auf Goldgrund gemalten Bilder die Blicke auf sich. Auf den drei Schranktüren im oberen Teil befindet sich jeweils ein Gemälde, das auf die große Zeit des Minnesangs und die mittelhochdeutsche Dichtung Bezug nimmt. Auf dem Mittelbild sieht man Wolfram von Eschenbach, wie er seinem Förderer und Mäzen, dem Landgrafen Hermann I., seinen Parzival überreicht. Im Gegenzug wird er die französische Vorlage für sein neues Werk von Hermann erhalten: den Willehalm. Wolfram selbst hat im Prolog seines Epos berichtet, dass Landgraf Hermann ihm die Geschichte des Willehalm vermittelt habe. Im oberen Bildfeld schwebt ein Engelpaar mit dem Gral, dem zentralen Motiv aus dem Parzival.

Das linke Feld zeigt Gottfried von Straßburg, der einem jungen Paar sein Tristan-Epos vorträgt. Hugo von Ritgen, der Malereien ausführlich beschrieben hat, erklärt hier, dass das Paar auf dem Grab von Tristan und Isolde sitzt, aus dem ein Weinstock und eine Rose emporwachsen. Die Zweige umrahmen die Darstellung der unglücklichen Liebenden im oberen Bildbereich.

Auch das rechte Bild ist in zwei Zonen gestaltet: Unten lässt sich Bischof Pilgrim von Passau das Nibelungenlied erzählen und von seinem Schreiber Konrad niederschreiben. Oben erkennt man Kriemhild, die ihrer Mutter Ute einen Unheil verheißenden Schicksalstraum erzählt, der einem Medaillon zwischen Mutter und Tochter dargestellt ist. Ein von Kriemhild gezähmter Falke wird von zwei Adlern zerfleischt. Der Falke gilt als Sinnbild für Siegfried, dessen früher Tod vorhergesehen wird.

Großherzog Carl Alexander muss sich über dieses ganz besondere Geburtstagsgeschenk sehr gefreut haben. Der Schrank stand in seinem Salon, und so konnte sich der Fürst immer wieder in die Handlung der mittelhochdeutschen Epen vertiefen, die er mit Sicherheit sehr gut kannte. Hinter den bemalten Türen sollten schließlich Original-Ausgaben mittelalterlicher Dichtungen verwahrt werden. König Ludwig II. von Bayern hatten offenbar soviel Gefallen an dem Möbel gefunden, dass eine originalgetreue Kopie für das Wohnzimmer auf Schloss Neuschwanstein geschaffen wurde, wo sie bis heute zu besichtigen ist.

Seit 1958 steht der originale Schrank auf der Wartburg an seinem Platz im Sängersaal. Dort kann das Meisterwerk der historistischen Möbelkunst während eines Rundgangs durch den Palas zu den Öffnungszeiten bewundert werden. Eine Kabinettpräsentation in Vogtei der Wartburg informiert im Jahr ihres 200. Geburtstages über Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach.

Das Kunstwerk ist Bestandteil der Sammlung der Großherzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach, die gütlicher Einigung vom 26. August 2003 der Wartburg-Stiftung durch das Oberhaupt des Hauses, S.K.H. Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach übereignet wurde.

Bildunterschriften und -nachweise:

Abb. 1 Der sog. Minnesängerschrank im Sängersaal des Palas der Wartburg, Hugo von Ritgen (Entwurf), Friedrich Hrdina (Schnitzerei), Rudolf Hofmann (Bemalung), 1858, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KM0040, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Abb. 2 Blick in den Sängersaal nach Süden, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Abb. 3. Hugo von Ritgen, Entwurf für einen Bücherschrank, den sog. Minnesängerschrank, (1857/1858), Feder in Schwarz, Graphit, 362 x 305 mm, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. BE0198
Abb. 4 Musizierender Engel an der rechten Ecke des sog. Minnesängerschranks, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Abb. 5 Musizierender Engel an der linken Ecke des sog. Minnesängerschranks, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Abb. 6 Schubladenverzierung am sog. Minnesängerschrank, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Abb. 7 Die von Rudolf Hofmann geschaffenen Malereien am sog. Minnesängerschrank, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Abb. 8 Salon des Großherzogs mit dem Minnesängerschrank im Obergeschoss der Neuen Kemenate der Wartburg, Königlich Preußische Meßbildanstalt, 1897/1898, Platinabzug, Wartburg-Stiftung, Fotothek Map_07_282

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