Modell einer Blide Werner Freudemann, Oktober 1995, Holz, Maßstab 1:10, 88-168 x 124 x 100 cm Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KM0219

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Abb. 1: Das Modell der Blide in der Sonderausstellung „Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland“
Abb. 1: Das Modell der Blide in der Sonderausstellung „Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland“

Dagmar Schwabe, Mitarbeiterin beim Wachschutz der Wartburg, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats Juli vor: „Gleich am Eingang zur neuen Sonderausstellung ‚Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland‘ erwartet die Besucherinnen und Besucher ein rätselhaftes Objekt, das mich gleich fasziniert hat. Es handelt sich um das Modell einer mittelalterlichen Blide – einer damals gefürchteten Belagerungswaffe bei Kämpfen um Burgen. Mit einem solchen Katapult ist man auch der Wartburg in ihrer fast tausendjährigen Geschichte zweimal zu Leibe gerückt – allerdings ohne Erfolg.“

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  • Abb. 1: Das Modell der Blide in der Sonderausstellung „Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland“
    Abb. 1: Das Modell der Blide in der Sonderausstellung „Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland“
  • Abb. 2: Das Modell der Blide in der Sonderausstellung „Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland“
    Abb. 2: Das Modell der Blide in der Sonderausstellung „Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland“
  • Abb. 3: Das Blidenmodell im Maßstab 1:10
    Abb. 3: Das Blidenmodell im Maßstab 1:10
  • Abb. 4: Darstellung einer Blide in Konrad Kyesers Bellifortis aus der Handschrift  Ms.Thott.290.2º, 16v.
    Abb. 4: Darstellung einer Blide in Konrad Kyesers Bellifortis aus der Handschrift Ms.Thott.290.2º, 16v.
  • Abb. 5: Blick von der Blidenstatt an der Eisenacher Burg auf die Wartburg, anonym (Hans Lucas von Cranach?), vor 1929
    Abb. 5: Blick von der Blidenstatt an der Eisenacher Burg auf die Wartburg, anonym (Hans Lucas von Cranach?), vor 1929

Wie gefürchtet Bliden im Hochmittelalter waren, zeigt sich an einem Bericht in Erfurter Peterschronik, die von ihren ersten Einsatz auf deutschem Boden im Jahr 1212 vor der landgräflichen Burg Weißensee (Runneburg) in Thüringen berichtet. Der Chronist schreibt hier vom „teuflischen Werkzeug“, das Kaiser Otto IV. in Stellung gebracht hatte und mit dem er „Steine von außerordentlicher Größe“ auf die Burgmauern werfen ließ.

Erfunden wurden Bliden vermutlich in Asien, und sie gelangten durch die Kreuzzüge bis nach Europa. Die großen Belagerungsgeräte waren bis ins 16. Jahrhundert im Einsatz und wurden schließlich durch Feuerwaffen ersetzt.

Da keine originalen Bliden erhalten sind, können mittelalterliche Beschreibungen und Zeichnungen herangezogen werden, um die mächtigen Steinschleudern zu rekonstruieren. Das im Maßstab 1:10 angefertigte Modell in der Sonderausstellung beruht auf einer Illustration im militärtechnischen Handbuch Bellifortis von Konrad Kyeser, das kurz nach 1400 erstmals erschien und später mehrfach abgeschrieben und ergänzt wurde.

Eine Blide funktioniert aufgrund von Schwungkraft und Hebelwirkung: die kurze Seite des Wurfarms ist mit einem Gewichtskasten ausgestattet, am langen Hebelarm ist die Schleuder befestigt, in die der Blidenstein oder andere Wurfgeschosse (es wurden auch Tierkadaver, Abfall oder Brandsätze verwendet) eingelegt werden. Mit den Treträdern kann der Gewichtskasten nach unten gezogen und die Blide so gespannt werden. Wird die Befestigung des langen Arms gelöst, fällt der Gewichtskasten nach unten, wodurch der Wurf ausgelöst wird. Mittelalterliche Schriftquellen und Versuche mit Nachbauten belegen, dass Steine mit großer Treffgenauigkeit über Entfernungen von bis zu 500 Meter geschleudert werden und große Schäden an Burgmauern und -gebäuden anrichten konnten.

Wie eingangs schon erwähnt, kamen bei den zwei Belagerungen der Wartburg auch Bliden zum Einsatz. Im thüringisch-hessischen Erbfolgekrieg um 1260 sollen die Wettiner laut Legende sogar einen Eisenacher Ratsherrn und Unterstützer der Gegenseite um Sophie von Brabant von der Wartburg aus in Richtung Eisenach zu Tode geschleudert haben (siehe Objekt des Monats November 2019).

Und im Jahr 1307 wurde die Wartburg in Kämpfen zwischen dem Königtum und den wettinischen Besitzern der Wartburg von Süden – von der heute verschwundenen Belagerungsburg Eisenacher Burg aus – mit einer Blide beschlossen. Darüber berichten Schriftquellen, aber auch das Gelände zeugt noch heute davon: an der sogenannten Blidenstatt ist der Felsen im Abstand von gut 4,50 m senkrecht eingeschnitten, um dort eine Blide aufstellen und die Wartburg damit angreifen zu können. Dieser große Aufwand zeigt, wie effektiv die Belagerungsgeräte sein konnten.

Die Wartburgbesatzung hielt dem Angriff stand und konnte sich schließlich behaupten – andere Burgbesitzer waren weniger glücklich und ihre Anlagen wurden nach dem Einsatz von Bliden von den Gegnern übernommen oder zerstört.

Das Blidenmodell kann während der Öffnungszeiten in der Sonderausstellung „Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland“ besichtigt werden. Abgebildet und beschrieben ist das Objekt auch im Begleitbuch zur Schau, das im Museumsladen auf der Burg oder im Online-Shop erworben werden kann.

Bildunterschriften und -nachweise:

Abb. 1 und 2: Das Modell der Blide in der Sonderausstellung „Von der Wartburg ins Thüringer Burgenland“. Wartburg-Stiftung, Fotothek
Abb. 3: Das Blidenmodell im Maßstab 1:10. Wartburg-Stiftung, Fotothek
Abb. 4: Darstellung einer Blide in Konrad Kyesers Bellifortis aus der Handschrift  Ms.Thott.290.2º, 16v.
Abb. 5: Blick von der Blidenstatt an der Eisenacher Burg auf die Wartburg, anonym (Hans Lucas von Cranach?), vor 1929. Wartburg-Stiftung, Fotothek, Inv.-Nr. Abz_02_0552_C

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